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Dienstag, 19. Juli 2016

System Of A Down - Mezmerize

System-of-aDown-Mezmerize
Müsste ich mich entscheiden, welche Band mich im letzten Jahrzehnt am meisten beeindruckt und durcheinandergebracht hat, dann würde ich wohl SOAD nennen. "Toxicity" ist für mich mittlerweile mein liebstes harsches Gitarrenpower-Album aus diesem Jahrzehnt. Diese ungezügelte, rohe Brutalität, die von Rick Rubin meisterhaft eingefangen und in der Produktion umgesetzt wurde, knallt (hier stimmt dieser Ausdruck mal) immer noch so berserkerhaft wie am ersten Tag. Man darf auch nicht überhören, dass hier nur ein einziger Gitarrist für diesen Sturm verantwortlich ist.
Daron Malakian ist für mich das größte Talent an der Gitarre seit Darrell Lance Abbott, und das meine ich völlig ernst. Was Daron für kreative Riffs, Melodien, ungewöhnliche Solis und Ideen auf der Gitarre auslebt, ist für mich wirklich nur mit einem Dimebag zu vergleichen.
Stilistisch ganz klar auf einem anderen Level, aber von der Wirkung nicht weniger erschlagender. Dabei sind es nicht nur seine ungehaltenen und monströsen Power-Riffs, die kochende Wut und blutige Aggressionen atmen, sondern auch seine ruhigen Töne, sein ausgeprägter Sinn für feine Melodien und natürlich dieser ultraherb geile musikalische Einfluss seiner Herkunft. Dieser ist fester Bestandteil im Sound von SOAD, wird aber nie plakativ in den Vordergrund gestellt, sondern begleitet mit sanften Schritten den musikalischen Rahmen. Dazu hat man mit Serj Tankian einen der außergewöhnlichsten Sänger der letzten Jahre hinter dem Mikro stehen, der passend zu dem Stil von Malakian aggressiv, wild, verrückt und melodisch die abgefahrensten Gesangslinien ausspuckt. Richtig sexuell wird es aber erst, wenn Tankian und Malakian sich zusammen duellieren und im Duett die schrägsten Parts mit ihren Stimmen nochmals aufwerten.
Und mit John Dolmayan hat man eine extrem unterbewertete Groovemaschine am Schlagzeug sitzen, der so richtig vom Leder zieht, wenn er synchron mit Malakian eine Urgewalt heraufbeschwört.
Mit "Mesmerize" (mein Erstkontakt mit SOAD) hat man 2005 ein wahres Gigantenwerk an Kreativität, Feuer, Melodien, Hits, Riffs für Millionen, Refrains und Momente für die Ewigkeit veröffentlicht. Die brachialen Momente von "Toxicity" findet man nun in einem etwas geordneten Rahmen die wunderbar mit den einprägsamen Melodien, die erst auf dem melodischeren Zwillingsbruder "Hypnotize" so richtig aufblühen, harmonieren.
Das Doppel "Mesmerize"/"Hypnotize" ist vielleicht der letzte große Paukenschlag in der Rockmusik bis heute. Sozusagen die beiden "Use Your Illusion" in musikalisch gut und wertvoll. "Toxicity" war zwar glaube ich erfolgreicher, aber "Mesmerize" ist musikalisch das bisher ausgereifteste Werk in der Bandgeschichte. Was für wahnwitzige Songs wie 'Sad Statue' (wie dieses Riff tötet!), 'Violent Pornography', 'Question!', 'B.Y.O.B.', 'Cigaro' oder mein Lieblingssong 'Radio/Video' mit seiner orientalischen Köstlichkeit im Mittelteil dieses Album beinhaltet, ist kaum auszuhalten. Dabei gibt es eigentlich keinen einzigen Ausfall. Auch die Verpackung ist endlich mal hübsch, was man ja bei den Vorgängern nicht behaupten konnte. Und auch hier war Rick Rubin wieder für die Produktion verantwortlich, diesmal aber in Zusammenarbeit mit Malakian. Auch wenn der Sound nicht ganz so brachial wie bei "Toxicity" ist, sind es die besser nuancierten Feinheiten und die weicheren Gitarrenmelodien, die den Bandsound noch spannender gestalten.
In allen Belangen ist "Mezmerize" das anspruchsvollste und am besten komponierte Werk der Bandgeschichte. Die unglaublich komplexen Gesangsleistungen von Tankian und Malakian, die Luxusarbeit von Malakian an der Gitarre, die sagenhafte Groovearbeit von Shavo Odadjian und John Dolmayan und dieser irre Stilmix aus allem, was gut ist, gehören zu den größten Momenten der Rockmusik des neuen Jahrtausends.
SYSTEM OF A DOWN sind laut meinem Gehirn, meinem Bauch, meiner Seele und meinem Herzen die kreativste und frischeste Band, die die Rockmusik nach den Neunzigern hervorgebracht hat. Ist wie mit Falafel: kann ich (leider) nicht immer und überall essen, aber wenn ich es in die Finger bekomme, ist es das geilste Zeug von Welt.

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