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Donnerstag, 6. Februar 2014

Scott Walker - The Drift

Scott-Walker-The-Drift

Was ist das dunkelste, verstörendste und düsterste, was ihr an Musik gehört habt? Genreunabhängig. Multipliziert das mit allen Dämonen, die in der Hölle leben und stellt euch vor, diese haben einen Musiker auf den Grund des Marianengrabens verbannt, der dort, ohne Hilfsmittel und Licht, in seinem Kopf ein musikalisches Abbild von Schwärze formt, welches die Menschheit vorher und bis heute noch nie gehört hat. Tote Babies fliegen mit heraushängenden winkenden Innereien durch die Luft.
Oder stellt euch vor, solche Typen wie Fritz Haarmann, Andrej Tschikatilo, H. H. Holmes, Ed Gein, Karl Denke, John Wayne Gacy, Albert Fish, Nikolai Dzhurmongaliev und Jeffrey Dahmer haben sich zu einer Big Band zusammengetan, um ihre Hirnaktivitäten in die Form von Musik zu transformieren, die von Charles Manson dirigiert wird. Weinende Mülltonnen rollen durch menschenleere Gassen.
"The Drift", meine Damen und Herren, ist das schwärzeste Stück Musik, was ein Mensch bisher erschaffen hat. Aber erst wenn Steckdose und Finger heiraten, ist das rohe Fleisch gar. "The Drift" geht weit über normale Musik hinaus, ist mir das einzig bekannte Album, welches völlig losgelöst in der Musikgeschichte nicht messbar ist, keine Vergleiche erlaubt und auch das einzige Werk, mit dem ich mich schon seit Jahren beschäftige und immer noch nicht begreife. Blutender Stuhl läuft stückig, sämig und unverdaut wie warmer Matsch den Oberschenkel herunter.
Hatte ich auf dem nicht weniger seelenzerstörenden Angstalbum und Todesritt "Tilt" von 1995 doch noch Zugang gefunden, ist mir dieser auf "The Drift" immer noch nicht gestattet. Schmerzende Parodontose-Wut im Zahn legt empfindliche Nerven frei.
Dabei ist "Tilt" schon ein Machtmonster unaussprechlicher Ängste und vielleicht sogar das größte und einzige beste Werk der 90er. Irrlichter werfen schwarze Schatten.
Scott Walker, der bekannte Unbekannte, Visionär und Revolutionär und ehrfürchtig geschätzter und respektierter Künstler von allen musikalischen Größen, ist ein alleiniges und schwer zu begreifendes Genie, welches sich Hörgewohnheiten, Musikstrukturen, Rhythmus, Harmonien, Melodien und Klangvorstellungen entledigt und Musik als solche auf ein neues Level gehoben hat. Schwellkörper und Portio erkranken. Seine Vorstellung von Musik, kann man, wenn man mit normalen Vergleichsmustern vorgeht, noch nicht einmal als solche bezeichnen. Glühend heiße Nadeln unter den Fingernägeln beflügeln die Sinne. Man muss sich nur mal die Liste an Gastmusikern betrachten, was überhaupt an Instrumenten aufgefahren wird (Schweinehälfte-Drumming for the fucking win!), welche Breite an extravaganten Klängen auf dem Album herrschen. Aus meinen Körperöffnungen läuft eitrige Säure. Schmerzende Abgründe, vertont und von Scott Walker "grauenvoll" bejammert. Der Selbstverstümmelung untergeordnet und das pulsierende Blut ist längst verfault.
Moderne Musik, zähe Kakophonie, herausfordernd und beängstigend abweisend. Gefangen in einer stinkenden Grube. "The Drift" ist schwer - schwer zu begreifen und schwer von seiner Außergewöhnlichkeit. Gebrochene Glieder lassen den Körper sarkastisch zusammenfallen. Scott Walkers Bariton-Stimme ist ätzend und nervenzehrend, verhindert schon mit dem opernhaften Opener 'Cossacks Are', dass man es mal mit der Musik "versucht". Applaus aus dem Irrenhaus. Ganz oder gar nicht. Blutstillende Schwellungen zerplatzen garstig. Die vollen 69 Minuten einen psychischen Untergang ertragen und hilflos in die Tiefe stürzen, begleitet von Ekel, Abneigung, Terror und Qualen. Von Musik vergewaltigt und durch die eigenen Ausscheidungen geschwängert. Lässt man sich allerdings darauf ein, erweitert seinen (musikalischen) Horizont und überlebt diese Architektur aus Schmerz und Angst, könnte man eine neue Ansicht auf Musik erfahren. Entfachte Seelenernte, gnadenlos und bizarr. Natürlich kann das auch bitter in den Feinripp kleckern, da es ja so "gewollt künstlerisch" klingt, eiskalt, abstoßend lustvoll und steril wie ein Spekulum und so ästhetisch wie ein medizinischer Abstrich. Die Falle schnappt zu, man ist befallen.
Für mich jedoch ist "The Drift" nichts weiter als das mächtigste und finsterste Stück Musik des letzten Jahrzehnts, ein einsames Werk, welches sich von der Zerstörung und dem Verfall menschlicher Rationalität grausam ernährt. Der kichernde Darm platzt, leprakranke Würmer teilen sich. NEUROSIS, TOOL, TRIPTYKON, SWANS - alles Firlefanz!
"The Drift" ist das vernichtende Echo einer Drogen-Überdosis, aphrodisierende Diarrhö, die unersättliche Entleerung des Mageninhaltes und eine grenzenlose brennende Blut-Sperma-Fontäne. Gebacken im Ofen der Unterwelt und mit dem Leichenwagen an die Oberfläche befördert
"I'll punch a donkey in the streets of Galway." "Polish the fork, and stick the fork in him."

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