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Donnerstag, 1. Februar 2018

Negură Bunget - OM

Negură-Bunget-OM

2006 ließ ich alles fallen, alles stehen und liegen - TOOL veröffentlichten mit "10,000 Days" endlich eine neue Zeitrechnung, doch dann entwich etwas Unvorhersehbares aus den tiefen, urigen Wäldern Rumäniens: drei Musiker entfachten still und heimlich im Herzen Osteuropas eine schiere Revolution, welche nicht nur den (Black) Metal auf die nächste Stufe hob, sondern allgemein alles rebootete, was unter diesem Genre bis dahin passierte.

"OM" stellt im inneren der Musik Wunder nach, Faszinationen der Natur: warme Lichter funkeln, Stürme toben, Wälder rauschen - alles bildlich vertont. Mit geschärften Sinnen taucht man ab und ich wurde seit "Ænima" nie wieder so durchgeschüttelt.

Die charismatischen und bodenständigen Rumänen von NEGURĂ BUNGET haben also 2006 mit ihrem Meilenstein (etwas untertrieben ausgedrückt) "OM" nicht nur in der Black Metal Szene für einen gewaltigen "Kulturschock" gesorgt, sondern wurden auch außerhalb der Szene bestaunt, respektiert und bis zur völligen Hingabe vergöttert.
2002 wurde mit "'N Crugu Bradului" bereits ein Vorgeschmack auf die darauf folgende Großtat abgeliefert, welches bereits den urigen und faszinierend-eigenartigen Stil dieser besonderen Band in ureigene Weise aufzeigt.
"OM" hat mich, ich weiß es noch immer haargenau, als ich das Album zum ersten Mal in den Händen hielt und wirklich bis zum Abend gewartet habe, bis ich mich völlig der Musik hingab, völlig fertig gemacht.
Seit "Ænima" wurde ich nie wieder so extrem durch meine Gefühlswelt hin und her gerissen. Ungelogen, ich erstarrte über die komplette Spielzeit von "OM", habe geweint vor Freude, 67 Minuten lang Gänsehaut von der Haarspitze bis zur äußeren Hornhaut meiner Ferse gehabt, mich gekniffen, weil ich es wirklich nicht für real hielt, was ich da gerade hörte und geschwitzt vor lauter Druck, die die Musik auf mich ausübte.
Ein Moment, den ich bis heute nicht vergessen habe und der immer wieder auffrischt, wenn ich mir "OM" heute anhöre und sich dabei nichts an der Meisterschaft dieser Musik geändert hat.
Das sind Momente, die ich in dieser Intensität eigentlich genau so bei "Ænima" durchlebt hatte.

Eingeleitet wird dieses Klangwunder durch "Ceasuri Rele", eines der drei besten Intros der Musikgeschichte.
Es ist unglaublich, wie so ein bis auf das minimalste reduzierte Stück, welches eigentlich nur aus einer Stimme und minimalen Synthsounds besteht, so ergreifend und furchteinflößend ist und mir dabei die Nackenhaare so zu Berge stehen, dass ich bereits bei den ersten drei Minuten meinen Schlafanzug durchgeschwitzt hatte.
Aber die nächsten knapp 13 Minuten sollten mich dann komplett abholen - und ich meine damit wirklich, dass ich aus Raum und Zeit gerissen wurde.
Die leisen, surrenden Gitarren, die sich in "Țesarul de Lumini" immer mehr hochschrauben, bis dann das Schlagzeug einsetzt - das alleine hat mich schon zum heulen gebracht und mich völlig betäubt. Aber als dann dieser gottgegebene hymnische Jahrhundertgitarrenmoment einsetzt, war es dann auch vorbei mit meiner Zurechnungsfähigkeit.
Dieser Moment, diese Gitarre, dieses perfekte unsaubere Drumming, welches völlig schräg klingt aber zugleich im Einklang mit Gitarre und Bass harmoniert und dann in einen Sturm übergeht, ist Musik, die man hören muss, die man einfach nicht in Worte fassen kann.
Wunderschöne (!) Keyboardteppiche geben der Musik einen wunderbaren farblichen Anstrich, der die Stimmung bis zur "unerträglichen" Spitze treibt. Es ist sagenhaft. Und wenn Hupogrammos mit seinen wahnwitzigen Kreischvocals über alles triumphiert, kann man sich eigentlich nur noch in die Fötusstellung zusammenziehen.
Alleine das ausladende Ende ist so magisch und vernebelt, wie die Rumänischen Wälder.
"Primul Om" bildet dann das passende "Erholungsstück". Ein düsteres Instrumental mit unheimlichen Chören, glasklaren Keyboards und Waldelfeninstrumente, die aus dem Hintergrund nur ganz leise vordringen. Wunderbar unaufdringlich, wunderbar naturverbunden.
"Cunoașterea Tăcută" gleicht einem Fiebertraum. Klargesang, Klanghölzer, wildes Gekreische, urige Gitarrenriffs, Tempowechsel mit unglaublichen Spannungsbögen, es ist unfassbar, wie viele Details in dem Sound stecken. Und dann wieder dieser Moment, dieser betörende hymnische Klargesang und diese abartig geile Instrumentalpassage mit dieser wunderbaren Gitarre. Man fühlt sich wie neu geboren, wenn man beruhigende Flöten lauscht, durch die Klanghölzer massiert wird und durch das zähe Tapping an der Gitarre um den Verstand gebracht wird. Dieser ganze Aufbau des Songs ist so übergroß, das gibt es gar nicht. Wenn sich zum Abschluss dann noch mal alles in schwindelerregende Höhe aufputscht und alles aufeinander prallt, ein heller Flötenton die Tränen in die Augen treibt, dann hat man echt einen dicken Kloß im Hals.

Bis hier hin haben NEGURĂ BUNGET mein komplettes Weltbild zum einstürzen gebracht.
Und das Album hielt dieses unfassbare ungreifbare Niveau bis zur letzten Sekunde.
"Înarborat" ist ein wütendes Stück, mit einer beängstigenden Dichte an Intensität und kauzigen Riffs, Tempowechseln und irre guten Vocals. Beeindruckend, wie man hier zwischen fast unkontrollierbarer Raserei und wunderschönen Klanglandschaften hin und her gerissen wird.
Diese Geistermomente in "Dedesuptul", da werde ich noch mal um den Verstand gebracht. Was da alles mit der Gitarre angestellt wird ohne technischen Raffinessen.
Mit dem schwebenden Instrumental "Norilor" wird man in ein wildes Rumänien entführt, direkt in wilde Landschaften und beängstigenden Wäldern, voller Schönheit und Anmut.
Roher und zerfahrener geht es dann mit "De Piatră" weiter. Auch hier werden wieder Momente des Staunens zum Besten gegeben und man wird daran erinnert, dass die Musik tief im Black Metal verwurzelt ist - das muss man sich nämlich öfter beim hören von "OM" ins Gedächtnis zurückrufen.
Das Gefühlsdurcheinander in "Cel Din Urmă Vis" gehört vielleicht zur komplexesten Komposition auf "OM" und vereinigt noch mal alles, was das Album bisher ausgemacht hat in einem 10-minütigen Ekstaserausch, in dem auch die letzten Nervenzellen blank liegen.
Und mit dem hochdramatischen "Hora Soarelui" (da habe ich Live wirklich geweint!) wird ein Album, welches so vielleicht nur alle 15 Jahre erscheint, abgeschlossen, bevor "Al Doilea Om" die Musik wie ein sanftes Tuch wieder verschleiert.

Sogar das spätere Live-Erlebnis (im Original Line-up) hat mich in Starre versetzt und gehört bis heute zu meinen monumentalsten Live-Erlebnissen, die ich nie wieder vergessen werde.
Eine Band, die aus so menschlichen, schüchternen und bodenständigen Musikern besteht, hat für mich eines der größten Musikalben der Rockmusik der letzten 15 Jahre erschaffen.
"OM" wird bis zu meinem Lebensende einen Ehrenplatzen in meinem Herzen haben. Ein Album, das wirklich in der Lage ist, komplette Gefühle heraufzubeschwören und auch bei Leuten funktioniert, die mit Black Metal nichts anfangen können.
Und mal ehrlich, selbst wenn der Split nach dem Album nicht passiert wäre, hätten NEGURĂ BUNGET nie wieder so ein Album erschaffen können.
"OM" hat maßgeblich mein musikalisches Weltbild erschüttert und neu zusammengefügt - ein wahrhaftig einmaliges und betörendes Monumentalwerk und gleichzeitig Ode an die Musik in all ihrer unerträglichen Schönheit.

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